Ein Stück Geschichte wiederbelebt
Wassenberg. Nach nur einem Jahr Sanierungsarbeiten ist gestern in Wassenberg der Bergfried wiedereröffnet worden. 740 000 Euro hat das Projekt gekostet. Der Ausblick ins Maasland war ein Höhepunkt, den die Besucher in 98 Metern Höhe genossen. Von Jessica Balleer
Als Martin Luther seine 95 Thesen an die Wittenberger Kirche schlug, war er schon ein Hundert Jahre alter Mann. Als der Erste Weltkrieg 1914 ausbrach, stand er bereits ein halbes Jahrtausend. Als Bürgermeister Manfred Winkens gestern im Kaminzimmer des Wassenberger Wahrzeichens stand, präsentierte sich der frisch sanierte Bergfried mit 600 Jahren auf dem Buckel bestens in Schuss.
Im September 2013 beschlossen, haben Wassenbergs Heimatverein und die Stadt nach nur einem Jahr Sanierungsarbeiten den Bergfried wiedereröffnet. "Wir sahen es als unsere Pflicht, den Bergfried als Wahrzeichen der Stadt Wassenberg zu erhalten", betonte Winkens.
98 Meter über dem Meeresspiegel drängten sich die interessierten Besucher, oben auf der Aussichtsplattform des "alten Mannes von Wassenberg", an dessen Fuße sich das weite Maasland präsentierte. Bis in die Niederlande, nach Belgien und in die Eifel konnte man sehen. Ein schöner Ausblick, den auch Sepp Becker am Ende der vielen Arbeit genoss. Er war einer der Ideengeber und Initiatoren des Projekts Bergfriedsanierung. "In alle Himmelsrichtungen kann man schauen. Was wo liegt, erklären einem die Panoramatafeln", sagte der Heimatvereins-Vorsitzende. Sieben Tafeln haben er und Walter Bienen in den vergangenen Monaten mit Sponsoren und Helfern gefertigt. Ortskundigen und Besuchern von außerhalb dienen sie als Orientierungshilfen: Vom einige Hundert Meter entfernten Roßtor, über die Heinsberger St. Gangolfus Kirche (6,5 Kilometer), bis in die Niederlande (über 20 Kilometer) hinein reichte der Blick, der die Unterstützer und Geldgeber gestern erstmalig für die vielen Kosten entschädigte. Denn immerhin 740 000 Euro haben die Arbeiten gekostet. Wie genau Kaminzimmer, Kellerräume, das Bürger- und Ritterzimmer nun genutzt werden, wollen Stadt und Heimatverein laut Winkens jetzt besprechen.
Ein "Ort des Treffens und der Kommunikation" könnte er werden, wenn es nach Propst Wieners ginge, der den Bergfried segnete. Einige künstlerische Bilder zum Thema Stadtgeschichte konnten im runderneuerten Kaminzimmer bereits begutachtet werden. Im Bürgerzimmer lud Britta Derichs zur "Reise durch die Altstadt" ein. Teil des Rahmenprogramms war auch die von ihr organisierte Stadt-Rallye für Kinder. Als Basis dafür diente ihr Geschichtsbuch "Entdecker Stadtführer Wassenberg". Für Mittelalter-Ambiente sorgten rund zwanzig kostümierte Anhänger unterschiedlicher Ritterschaften. Von den Gangelter "Schildwächtern" freute sich vor allem der Wassenberger René Oberhauser über die Eröffnung: "Wenn ich aus meinem Haus schaue, sehe ich diesen tollen Riesen. Schön, dass mit ihm ein Stück Geschichte wiederbelebt wurde." Und weiterleben soll das Wahrzeichen der Stadt noch lange, wenn es nach Bürgermeister Winkens geht: "Der Bergfried steht seit über 600 Jahren. Jetzt haben wir ihn für die nächsten Jahrhunderte gerüstet."
Quelle: RP vom 22.9.2014