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Sänger: Karl Lieck

Wassenberg1420

 

Mesusa

(Türpfosten)

 

Die jüdische Gemeinde Wassenbergs war 1933 27 Mitglieder stark. Hinzu kamen 5 Juden in Birgelen. Seit Jahrhunderten gab es Juden in Wassenberg. Urkundlich wird schon 1324 das Judenbruch erwähnt. Ich fand im brabantischen Lehensverzeichnis (Rijksarchief van Brussel) den Hofbesitzer „Sibert op dem Judbrooke” verzeichnet. Auch Napoleons Tranchotkarte von 1806 nennt unser biotopisches Walddenkmal mit seinem alten Namen. Judenbruch deshalb, weil die Israeliten hier ihre ersten Begräbnisstätten hatten. Bettys Bruder, Walter Reis (Canada), hat mir berichtet, wie Mutter Else mit ihm und Betty mehrfach im Judenbruch war, um Grabsteine mit hebräischen Einritzungen zu zeigen. 1992 haben Walter Reis und ich das Judenbruch nach solchen Grabsteinen abgesucht, aber Bodenveränderungen, Verwachsungen, Überwucherungen ließen uns nicht fündig werden.

 

Haus Reis (Brühlstrasse 40)
Das kleine Haus der Reis in der Brühl ist noch da. Walter Reis beschrieb es mir. Brühlsche 187 damals, heute Nr. 40: Bewohnt von 5 Personen, Vater Willi, Mutter Else, Tochter Betty, Sohn Walter und Onkel Karl Hertz. Es gab 3 Schlafzimmer, eine Wohnküche, ein kleines Wohnzimmer, auf der Rückseite angebaut einen Waschraum mit Pumpe, Zinkwanne, Ofen fürs Baden und für die Wäsche, handbewegte Waschmaschine mit Waschbrett und Auswringer. Im kleinen Nebenraum das Örtchen. Hinter dem Hause ein paar Ställe für Kühe, Kälber, Ziegen, die Vater Willi auf den Viehmärkten verkaufte. Auch ein Schrebergarten war vorhanden. Betty schlief bei Mutter Else, Walter bei Vater Willi und im dritten Schlafraum lebte Onkel Karl Hertz. Im Flur rechts stand in Regalen viel Eingemachtes, unter der Treppe die Kartoffelkiste. Walter: „Every year my mother kept the Wassenberger Sauerkraut!”
Haustür Reis
Haustür Reis

Betty wuchs im Wassenbcrg der Zwanziger Jahre auf, in dem das Wort „Antisemitismus” noch Fremdwort war, wenn man die Juden auch nicht dauernd umarmte. Bei der Reichstagswahl 1924 schmierten Nazis ein Hakenkreuz an einen Fachwerkbau in der Löffelstraße, der Juden gehörte. Trotzdem war die Grundstimmung nicht antiiüdisch. Die kleine Synagoge in „Storms-Jätzke” wurde geachtet. Das Areal dafür hatten die Packenius 1838 gestiftet.

Die Reis feierten das Wassenberger Brauchtum begeistert mit. Zum Vogelschuß bei Tante Luzie waren Willi Reis und Karl Hertz immer dabei. Natürlich begingen sie auch ihre jüdischen Feste. Betty mochte besonders den Festtag Purim mit gutem Essen, Verkleiden, viel Spaß, fast ein bisschen Karneval. Doch dazu besuchten sie Freunde in Mönchengladbach, wo es eine größere jüdische Gemeinde gab.

Die Reis hielten treu den Sabbat. Sohn Walter erzählte mir, wie Mutter Else und Betty am Vortag das Haus reinigten, und dann alle in der Zinkbütte badeten. Mutter Else legte ihre beste Decke auf den Tisch und darauf zwei Weißbrote, die sie beim Bäckermeister Theo Schmitz, dem späteren NS-Ortsgruppenleiter, gekauft hatte. Vater Willi, Onkel Karl Hertz und Sohn Walter gingen in die Synagoge. Und wenn sie zurückkamen, hieß es: „Gut Schabbes!” Vater Willi sprach über den Wein den Segen, Mutter Else zündete die Sabbatkerzen an. Dann wurde gut gegessen.

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