Bei meiner Recherche über die Anfänge der Kreuzkirche habe ich ein paar höchst interessante Informationen zusammengetragen, über die ich hier gerne berichten möchte.
Bereits im Jahre 1884, also 80 Jahre vor der Einweihung der Kreuzkirche, gab es schon Überlegungen seitens des Konsistoriums, der für Wassenberg zuständigen kirchlichen Verwaltungsbehörde, „die Beschaffung eines besseren kirchlichen Gebäudes im Auge zu behalten“.
In seinem Buch „Die Geschichte der Evangelischen Kirchen-Gemeinde Wassenberg-Dalheim“ schreibt mein ehemaliger Nachbar, Pastor Andreas Knorr, dazu:
„Daher beschloss das Presbyterium in seiner Sitzung am 7.12. 1884 einen ersten Baufonds zu gründen. Damit hatte der Gedanke, eine neue Kirche zu bauen, eine erste konkrete Form angenommen, dieser Gedanke, der erst 1957 in Dalheim bzw. 1964 in Wassenberg in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollte.“ (Knorr, S. 149)
(Knorr S. 151) Anlässlich seines 25jährigen Dienstjubiläums gab Pfarrer Otto Grashof eine Sammlung seiner Gedichte heraus. Der Titellautete: Gabe um Gabe. Den Verkaufserlös ließ er der Gemeinde, insbesondere dem 1884 begründeten Kirchbaufonds, zukommen – ein Dankeschön des Pastors an seine Gemeinde, in der er sich sehr wohlfühlte. Der Reinerlös bis zum 16.10. 1887 betrug immerhin 1.183,- Mark. An diesem Tag beschloss das Presbyterium:
„Die Mitglieder des Presbyteriums werden gebeten, ihr Augenmerk zu richten auf einen gelegentlich zu erwerbenden, geeigneten Bauplatz. In erster Reihe werden die an unseren Kirchhof grenzenden Gärten ins Auge zu fassen sein.“
Der großen finanziellen Belastung war man sich bewusst. Am 5.12. 1888 wurde beschlossen, „ ... dass jährlich eine Hauskollekte für diesen Zweck in der Gemeinde gehalten werden solle, sowie dass eine Büchse mit der Aufschrift Für den Kirchbau am Eingang der Kirche aufgehängt werde.“
Schon ein Jahr später, nämlich am 3.2. 1889, betrug der Kirchbaufonds bereits 2.400,- Mark.
Otto Grashof verfasste nun ein Gedicht, in dem er auf die Notwendigkeit eines Kirchbaus hinwies und Gönnern - besonders auch außerhalb Wassenbergs – um eine Spende für den Kirchbaufonds bat. (Dieses Gedicht kann übrigens in dem Buch von Andreas Knorr auf der Seite 152 nachgelesen werden.)
Erst das Jahr 1900 brachte endlich wieder einen Fortschritt hinsichtlich des beabsichtigten Kirchenbaus. Am 24.6. 1900 schlug der Kirchenmeister Königs dem Presbyterium vor, das Anwesen der Familie Henßen als Kirchbauplatz zu kaufen. Das Presbyterium beauftragte Königs, einen vorläufigen Kaufvertrag abzuschließen.
Es stellt sich die Frage, wie denn die Kirchengemeinde den Kauf hätte finanzieren können. Da standen 1889 doch lediglich 2.400,- Mark zur Verfügung. Zur Überraschung des Presbyteriums legte der Kirchenmeister Königs einen grandiosen Plan vor. Nach seinen Aussagen erklärte sich der Wassenberger Tapetenfabrikant und ehemalige Presbyter Franz Zorn bereit, das Henßen`sche Anwesen auf seinen Namen für die Kirchengemeinde zum Preis von 15.000,- Mark zu kaufen.
Nun werden Sie sich fragen, wo denn das Anwesen der Familie Henßen lag. Es ist das Areal des ehemaligen Kapuzinerklosters in der Graf-Gerhard-Straße, früher Brühlstraße, in der Wassenberger Unterstadt. Auch das Grundstück, auf dem heute die Kreissparkasse steht, gehörte dazu. Bis 1818 stand auf dem Gelände des heutigen Parkplatzes an der Graf-Gerhard-Straße die Klosterkirche der Kapuziner. Hier sollte also die neue evangelische Kirche entstehen.
Es blieb nicht nur beim Kauf des Grundstücks der Familie Henßen. Denn am 9.2. 1903 kaufte Herr Zorn ein weiteres Grundstück in der Brühl für die evangelische Kirchengemeinde zu einem Preis in Höhe von 6.500,- Mark.
Da die Genehmigung des Konsistoriums auf sich warten ließ, drohte Zorn, das Grundstück für sich zu behalten. Doch das Presbyterium handelte schnell und entschied sich für das Grundstück ohne Zustimmung durch das Konsitorium.
Als Pastor Otto Grashof 1909 verstarb, kam man nicht mehr weiter mit dem Kirchbau.
Aber bald kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Am 23.5. 1910 erklärte der aus Krickelberg stammende Heinrich Weidmann, der nun in Köln wohnte, dem Presbyterium, dass er der evangelischen Kirchengemeinde aus Heimatgefühl den Betrag von 10.000,- Mark schenke. Zwei Bedingungen knüpfte er an seine Schenkung:
1. Der jetzige Bauplatz in der Brühl wird aufgegeben
2. Als Baumaterial soll keinesfalls Ziegelstein, der Gang und Gäbe-Stein der
Gegend verwendet werden. Denn ich möchte etwas Besseres erstehen sehen auf Bergeshöhen und auf einem Platz, den ich erwerben werde.
Als weitere Bedingung fügte er ein Jahr später hinzu, dass der Kirchbau in den nächsten Jahren in Angriff genommen werden möge. Heinrich Weidmann
verstarb im Jahre 1916. In seinem Testament hatte er festgelegt, dass der Bau bis 1921 begonnen sein müsse. Wie bekannt, wurde aus diesem Kirchbau nichts. Die beiden ersten Bedingungen Weidemanns wurden erst viel später umgesetzt, nämlich der höher gelegene Bauplatz und die Nichtverwendung von Ziegelsteinen.
Die Frage eines Kirchbaus trat nun für viele Jahre in den Hintergrund.
Mitte 1925 waren an der Hofkirche und am Pfarrhaus in der Kirchstraße erhebliche Mängel festgestellt worden, so dass die Frage nach einem Neubau von Kirche und Pfarrhaus wieder auf die Tagesordnung kam. Jedoch waren die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde so beschränkt, dass noch nicht mal eine Generalrenovierung auf eigene Kosten möglich war, geschweige denn zwei Neubauten.
Die Mittel des früher angesammelten Kirchbaufonds waren durch die Inflation verlorengegangen. Lediglich ein Verkauf von Kirche und Pfarrhaus hätte 10.000,- – 15.000,- Mark erbracht, das Haus in der Brühl 4 – 5.000,- Mark.
So ist denn bei Andreas Knorr zu lesen: „Der Verkaufswert unserer Kirche, die im Hinterhof liegt, und von der nur drei Wände und das Dach der Gemeinde gehören, während die vierte Wand und der Keller Eigentum des katholischen Besitzers des Vorderhauses sind, ist gleich null. Ergebnis: Die Mittel für zwei Neubauten waren in der Gemeinde nicht vorhanden.
Das Konsistorium genehmigte lediglich Mittel zur Reparatur des Pfarrhauses. Damit war der Neubau einer Kirche wieder vom Tisch.
Erst mit Martin Grunwald, der am 24.10. 1954 Pfarrer der evangelischen Kirchen-Gemeinde in Wassenberg wurde, wendete sich das Blatt. Als Baumeister der Gemeinde entstanden in knapp 18 Jahren seines Dienstes unter seiner Federführung 3 Kirchen, 2 Pfarrhäuser und 1 Gemeindehaus.
1960 ging das Wassenberger Presbyterium nun entschlossen an die Verwirklichung der Pläne zum Bau der neuen Kirche in Wassenberg. Schon 1959 wurde von der Firma Krahnen und Gobbers der Bauplatz an der Ecke Bergstraße/Am Tannenwald (heute An der Kreuzkirche) erworben. Gleich neben diesem Bauplatz wurde ein weiteres Gundstück erworben, auf dem heute das Campanus-Haus steht.
Ende 1961 war es dann endlich so weit. Nach langen heftigen Diskussionen im Presbyterium konnte man dem Landeskirchenamt die Pläne zur Genehmigung vorlegen. Der Planer war kein Geringerer als Professor Friedrich G. Winter, Direktor der Werkkunstschule Krefeld und Mitglied des landeskirchlichen Bauausschusses. Ursprünglich war an eine Ausführung der Kirche in
Stahlbetonplatten gedacht. Erst im Laufe der Zeit wurde daraus eine Stahlkonstruktion in Verbindung mit den Materialien Holz und Glas.
Anfang 1962 übernahm Architekt Will Andermahr aus Wassenberg die Bauleitung. Die Kommunal-Gemeinde Wassenberg und die umliegenden Orte steuerten einen Zuschuss von insgesamt 15.200,- DM hinzu. Die Firma Walefeld aus Krefeld fertigte die Stahlkonstruktion. Für die Leichtmetallbedachung wurde eine Spezialfirma aus Frankfurt am Main herangezogen.
Erst Anfang 1963 rückte das Presbyterium vom Plan eines Betonglockenturmes zugunsten eines 30 m hohen Turmes aus Aluminium ab, wie ich finde, eine sehr gute Lösung. Der Glockenstuhl, eine Stahlkonstruktion im Turmkopf, trägt drei Glocken mit einem Gesamtgewicht von etwa 900 kg. Ein Schwingungsdämpfer verhindert unter Berücksichtigung der Massenträgheit eine zu große Bewegung des Turmes beim Läuten der Glocken. Das Betonfundament, dass ich als Nachbar der Kirche bei der Entstehung mit eigenen Augen unter die Lupe nehmen konnte, hat mich sehr beeindruckt. Denn es hat die Abmessungen 6.80 m x 6.80 m x 1,50 m. Das sind knapp 70 Kubikmeter. Ein Kubikmeter Stahlbeton wiegt etwa 2,5 Tonnen. Das bedeutet, dass das Stahbetonfundament des Turmes ein Gewicht von 175 Tonnen aufweist. Im Fundament sind 24 Ankerbolzen M 48 mit einer Länge von 90 cm Baustahl St 37 eingelassen, die mit ihren Muttern am unteren Rand des Aluminium-Turms befestigt sind.
Im Frühjahr 1963 wurde das Altarfenster in Auftrag gegeben. Der Auftrag für den endgültigen Entwurf ging an den Kunstmaler Joachim Klos in Mönchengladbach, der Auftrag für die Ausführung in mundgeblasenen Echtantikgläsern ging an die Werkstätten für Glasmalerei Hein Derix in Kevelar.
Die Holz- und Schreinerarbeiten wurden von der Tischlerei Max Willms in Wassenberg ausgeführt. Am 1. April 1963 begann ich in diesem Schreinereibetrieb meine Tischlerlehre. Zusammen mit meinen Gesellen Heinz Höppener aus Effeld und Sepp Becker aus Wassenberg habe ich in dieser Kirche sämtliche Holz- und Schreinerarbeiten ausgeführt. Daran erinnere ich mich noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Unser Arbeitstag begann um 7.00 Uhr morgens und endete gegen 17.00 Uhr bei insgesamt zwei Stunden Pause am Tag.
Die Kirche war in der Bauphase von innen mit einem Holzgerüst bis unter die Decke eingerüstet. Der tägliche Weg zu meinem Arbeitsplatz bis in die äußerste Spitze des Raumes war für mich im zarten Alter von 14 Jahren, sozusagen noch ein halbes Kind, immer wieder ein tolles Klettererlebnis. Ich kam mir manchmal vor wie auf einem Abenteuerspielplatz – wenn man mal von der täglichen 8 Stunden Arbeit absieht.
Die Beschäftigung in schwindelnder Höhe unter dem Kirchendach ist nach wie vor für mich ein unvergessliches Erlebnis und sie wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Versuchen Sie mal, sich in meine damalige Situation zu versetzen. Sie stehen in aller Frühe auf dem Gerüst. Im Osten geht die Sonne auf und sie scheint durch dieses grandiose Altarfenster aus mundgeblasenem Echtantikglas. Ich kann Ihnen sagen, da geht Ihnen das Herz auf!
Diese Situation durfte ich mehr als ein halbes Jahr lang jeden Tag erleben – sofern die Sonne schien. Was für ein Erlebnis! Sie können sich sicherlich gut vorstellen, dass ich durch diese Eindrücke eine ganz persönliche Beziehung zu dieser Kirche entwickelt habe. Ich bin sicher, dass es meinem Freund und Kollegen Sepp Becker genauso ergangen ist.
Am 13. 12. 1964, also vor fast genau 60 Jahren, wurde die Kreuzkirche am Nachmittag des 3. Adventsonntags durch Herrn Oberkirchenrat Rößler eingeweiht. Das war ein großes Fest für die Kirchengemeinde.
Das Pfarrhaus, ein Vorgängerbau des jetzigen Pfarrhauses aus Metall, Holz und Glas, wurde im Januar 1966 von der Familie Grunwald bezogen. Von 1966 bis heute habe ich als unmittelbarer Nachbar alle sechs evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer dieser Gemeinde mehr oder weniger gut kennengelernt. Die Nachbarschaft zu ihnen war immer von einem privaten Vertrauensverhältnis geprägt.
Am Ende meiner Ausführungen erlauben Sie mir bitte noch einen kurzen Hinweis in eigener Sache:
Vor wenigen Jahren hat der Heimatverein Wassenberg, dessen Vorsitzender ich bin, auf meine Initiative hin einen Rundweg durch die Wassenberger Oberstadt angelegt. Er umfasst insgesamt 20 Stationen. Jede Station ist mit einer Hinweistafel ausgestattet, auf der die wesentlichen Daten der jeweiligen Station nachzulesen sind. Eine davon ist die Kreuzkirche. Flyer zu diesem Rundweg finden Sie am Eingang der Kirche und dort drüben ... . Ich lade Sie herzlich zu einem Rundgang ein.
Und nun wünsche ich uns allen noch eine schöne Jubiläumsfeier. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Walter Bienen, Vorsitzender des Heimatvereins Wassenberg
Die Militärhistorische Führung am Sonntag den 25.10. ist aufgrund der aktuellen Corona-Lage auf den nächsten Monat verschoben worden. Etwaige erneute Terminänderungen werden hier rechtzeitig bekannt gegeben.
Wassenberg im Wandel der Zeit können Interessierte hier kennenlernen. Auf den folgenden Seiten finden sie einen spannenden Vergleich aktueller mit älteren oder sogar historischen Fotos. Diese Gegenüberstellung gibt Einblicke in die Veränderungen der Stadtgeschichte von Wassenberg. Außerdem regen die zahlreichen Bildpaare zum Nachdenken über und das Neu-Entdecken von Wassenberg an.
Das Zeitsprung-Team war mal wieder unterwegs und hat in der Oberstadt einige historische Aufnahmen nachfotografiert.
Wassenberg, Erkelenzer Strasse, Nordstrasse
Kirche, Kirchstrasse, Stadtpark, Burgstrasse, Turmstrasse, Bahnhof
Auf ihrer Internetseite haben Bernd und Käthe Limburg aus Wegberg-Schönhausen alle Denkmäler, Kirchen, Kapellen sowie Kreuze und Bildstöcke im Kreis Heinsberg umfassend dokumentiert.
Ein Besuch dieser Internetseite mit den vielen Themenbereichen lohnt sich bestimmt!
Die einzigartige Zusammenstellung kann man unter
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Auch unsere Heimatstadt Wassenberg ist dort mit Denkmalen und Sakralem vertreten, die unter den nachstehenden Links aufgerufen werden können.
Denkmale in der Stadt Wassenberg
Kirchen und Kapellen in der Stadt Wassenberg
Kreuze und Bildstöcke in der Stadt Wassenberg
Geschäfts-, Fahrten- und Spendenkonto des Heimatvereins Wassenberg e.V.:
Kreissparkasse Heinsberg ● IBAN DE03 3125 1220 0002 2043 60 ● BIC WELADED1ERK