Pusch: „Wir werden die Heimatvereine weiter brauchen“
Mehr als 400 Gäste kommen zum Festakt anlässlich des 120-jährigen Bestehens des Heimatvereins Wassenberg. Von Johannes Bindels
Mit einem Festakt im Forum der Betty-Reis-Gesamtschule hat der Heimatverein Wassenberg sein 120-jähriges Bestehen gefeiert. Mehr als 400 Gäste aus Politik, Verwaltung, Vereinen und befreundeten Mitgliedern anderer Heimatvereine diesseits und jenseits der Grenze erlebten eine gelungene Feier mit Redebeiträgen rund um den Begriff Heimat. Den musikalischen Rahmen gestalteten der Quartettverein Myhl unter Leitung von Hermann J. Kitschen und Karl Lieck mit seinem „Wasseberch-Lied“, begleitet von Hilde Eraerds am Akkordeon.
Eine Liebeserklärung
Die Spannbreite der Redebeiträge reichte von der Übersicht der geschichtlichen Entwicklung des Heimatvereins durch den Vorsitzenden Sepp Becker, über die Bedeutung des Heimatvereins für die Stadt Wassenberg durch Bürgermeister Manfred Winkens bis zur philosophischen und gesellschaftlichen Betrachtung zum Begriff Heimat durch Landrat Stephan Pusch. Zuvor hatte der stellvertretende Vorsitzende Walter Bienen mit seiner Begrüßungsrede die Feier eröffnet.
„1897 beschrieb der Wassenberger Notar und Mitbegründer, Wilhelm Weisweiler, die herrliche Natur, die Landschaft und die historischen Gebäude von Wassenberg – und es liest sich wie eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt“, begann Sepp Becker seinen Rückblick auf die Anfänge des Vereins. Als „Verschönerungsverein“ hatten 58 Mitglieder damals den heutigen Verein gegründet. Am Image einer touristisch attraktiven Stadt – in den 1920er und 1930er Jahren als „Perle des Rurtals“ und Luftkurort bezeichnet – arbeitete der Verein aktiv mit, wie dies auch heute noch mit den aktuellen Projekten von den Stadtführungen, den Denkmalprojekten bis zu den Ausstellungen und Konzerten im Bergfried geschieht. In den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg lagen unter den Vorsitzenden Dr. Jakob Broich, Ludwig Essers und Karl-Heinz Geiser die Schwerpunkte der Arbeit auf dem Wiederaufbau der zerstörten Stadt, betonte Sepp Becker.
Heute seien die kulturellen Aktivitäten ebenso Bestandteil der Arbeit wie die Archivarbeit und die Herausgabe heimatgeschichtlicher Literatur. In der Amtszeit von Ludwig Essers in den Jahren 1970 bis 1990 wurde aus dem „Heimat-, Verkehrs- und Verschönerungsverein“ kurz der Heimatverein Wassenberg, der Name, unter dem der Verein bis heute firmiert.
„In den 120 Jahren war der Verein zu jeder Zeit für die Stadt Wassenberg von großer Bedeutung“, betonte Bürgermeister Manfred Winkens die Verbundenheit von Stadt und Verein. Viele Denkmäler wie das Weberdenkmal, das Bergmannsdenkmal oder das Klosterdenkmal im Judenbruch, welche die wichtigen Aspekte der Geschichte und der Entwicklung der Stadt veranschaulichten, verdanke man dem Heimatverein, sagte Winkens. Ebenso sei die Attraktivität des Bergfrieds durch die verschiedenen Ausstellungen und Konzerte in Verantwortung und auf Initiative des Heimatvereins gestiegen. „Ihr Engagement für die Stadt Wassenberg verdient unseren Dank, unseren Respekt und unsere höchste Anerkennung“, sagte Winkens.
„Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde“, zitierte Landrat Stephan Pusch in seiner bemerkenswerten Rede den Philosophen Karl Jaspers. Die Definition von Heimat begreife und lege jeder für sich anders aus. Das führe sogar dazu, dass ein Mensch von Anfang 30 ihm gestanden habe: „Ich bin in Facebook zu Hause“, der damit die sozialen Netzwerke als seine Heimat betrachte.
Landschaft, Familie, Freunde
Mit seiner Reise durch die verschiedenen Definitionen umfasste Pusch die große Bandbreite des jeweils anderen Heimatbegriffes und fügte noch den Aphorismus des Schriftstellers Horst Bienek an: „Heimat kann man nicht vererben. Sie ist in meinem Kopf. Und Sie ist in meiner Seele.“ Eine Melange aus Landschaft, Familie und Freunden, aus Vertrautem und Vergessenen sei Heimat. „Wir werden die Heimatvereine weiter brauchen“, betonte Pusch. „Machen Sie weiter so“, schloss er seine Rede.
In den musikalischen Beiträgen des Quartettvereins reichte die Bandbreite von der Romantik „Am Brunnen vor dem Tore“ bis zum Rock („Rock my Soul“) und endete mit dem gefühlsbetonten Heimatlied von und mit Karl Lieck, der für sein Engagement zusammen mit dem Ehrenvorsitzenden Karl-Heinz Geiser durch den Vorstand geehrt wurde.
Quelle: HZ vom 6.11.2017